Darmbakterien - Hilfe fürs Immunsystem?

Darmbakterien - Hilfe fürs Immunsystem?

Darmbakterien -  Hilfe fürs Immunsystem?

"Darm und Immunsystem sind eng miteinander verbunden."
"Darmbakterien beeinflussen unsere Abwehrkräfte."
"Der Darm beheimatet 80% unseres Immunsystems."
Über solche und ähnliche Aussagen stolpert man immer wieder. Aber was hat es damit auf sich? 
Um die Rolle zu verstehen, die der Darm, die ihn bewohnenden Bakterien (und damit auch Probiotika), für unser Immunsystem spielen, sollte man seine große Bedeutung für unser tägliches Leben kennen.

Die Rolle des Darms und seiner Bewohner

Der menschliche Darm ist hundertmal größer als die Haut und damit - auf die Oberfläche bezogen - unser größtes Organ. Bewohnt wird er von mehr als fünfhundert Bakterienspezies, so wie Hefen und Pilzen. Diese Mikroben machen bis zu einem Kilogramm unseres Körpergewichts aus und sind den menschlichen Zellen zahlenmäßig 10:1 überlegen. Es ist also gar nicht so schwer zu glauben, dass sie einen wichtigen Zweck erfüllen.
Gemeinsam bilden der Darm und die in ihm beheimatete Mikroflora eine Art Bioreaktor in dessen Inneren unzählige Prozesse ablaufen. Diese sorgen dafür, dass wir mit den nötigen Nährstoffen versorgt werden. 
Die Darmbakterien sind dabei nicht wegzudenken. Sie vereinfachen unsere Verdauung und versorgen uns mit lebenswichtigen Stoffen, wie verschiedenen B Vitaminen, Vitamin K, Folsäure und kurzkettigen Fettsäuren aus ihrer eigenen Produktion. Bis zu 10% des täglichen Energiebedarfs einer Einzelperson können aus solchen, bei der bakteriellen Verarbeitung - der Fermentation - entstehenden Produkten, gedeckt werden. 



Der Verdauungstrakt ist außerdem unsere größte Schnittstelle mit der Außenwelt. Was bei einem innenliegenden Organ zunächst paradox erscheint, unterstreicht die Wichtigkeit eines intakten Verdauungssystems. Nur eine einzellige Schicht von sogenannten Epithelzellen trennt uns im Inneren des Darms von der Außenwelt. Diese dünne Zellschicht ist natürlich für die Aufnahme von Nährstoffen verantwortlich, vor allem aber bildet sie eine wichtige erste Verteidigungslinie gegen aufgenommene Mikroben und toxische Substanzen aus der Nahrung.

Was genau haben Darmbakterien damit zu tun?

Es handelt es sich um lebende Bakterien, die einen gesundheitlichen Nutzen für den Menschen haben. Im gesunden, im Gleichgewicht befindlichen Darm sind sie zahlreich vertreten. 
Zu Tausenden bewachsen diese wichtige Mikroben unsere Darmschleimhaut, drängen sich dicht an dicht und bilden so eine Art natürliche Barriere gegen Krankheitserreger. Diese müssen mit den bereits etablierten Darmbewohnern, um Platz und Nahrung konkurrieren. Und wie das im Leben so ist, ist es immer schwer in ein fest eingespieltes System einzudringen. Es sind oft schlicht weder Platz noch Nahrung für die Schädlinge übrig. 

Verteidigung gegen Krankheitserreger

Viele Milchsäurebakterien, die zu den am besten erforschten Darmbakterien gehören, produzieren bei ihrer Verdauung außerdem - wie ihr Name bereits verrät - Milchsäure, die den pH-Wert in ihrer Umgebung senkt. In diesem leicht sauren Milieu fühlen sie sich wohl, während die meisten krankheitserregenden Bakterien weniger gut an einen solchen pH-Wert angepasst sind und in ihrer Vermehrung stark eingeschränkt werden.
Einige probiotische Bakterien machen es ihren Konkurrenten gar vollends ungemütlich: Sie produzieren bakterizide, also bakterienabtötende Substanzen. Ihre eigene Immunität gegen diese giftigen Stoffe ermöglicht ihnen ungestörtes Wachstum, während - praktisch für uns - unerwünschte Bakterien absterben. 
Auf diesen Prinzipien beruht auch ein großer Teil der positiven Einflüsse von Milchsäurebakterien auf unseren Darm und damit unsere Gesundheit. Die enthaltenen Bakterienstämme, zu denen hauptsächlich Bifido- und Laktobazillen (also Milchsäurebakterien) gehören, können die Darmbarriere stärken, indem sie mit Krankheitserregern um Nahrung und Platz konkurrieren, sie senken den pH-Wert und verwandeln den Darm damit in ungemütliches Territorium für die schadhaften Bakterien und einige von ihnen gehören zu den oben beschriebenen Produzenten von für die Konkurrenz giftigen Stoffen. 

Anregung des Immunsystems

So weit, so vorteilhaft. Etwas komplizierter wird es, wenn man tiefer in die Immunologie einsteigt. Die Anwesenheit von Milchsäurebakterien sorgt für einige positive Veränderungen in unserem Immunsystem. Hauptsächlich können gute Darmbakterien die Aktivität oder die Produktion von für das Immunsystem unerlässlicher Bestandteile stimulieren. Immunglobuline, Antikörper, die über verschiedene Mechanismen giftige Stoffe und Krankheitserreger unschädlich machen, werden vermehrt gebildet. Ebenso verhält es sich mit Zytokinen, das sind Proteine, die verschiedene, wichtige Aufgaben in der Immunabwehr übernehmen. Auch sie werden vermehrt produziert durch die Anwesenheit von Milchsäurebakterien. 



Andere Teile des Immunsystems werden in ihrer Aktivität angeregt. Dazu gehören zum einen Fresszellen, sogenannte Makrophagen, die durch Bestandteile in der Zellwand der Milchsäurebakterien angeregt werden schädliche Mikroben schneller zu zerstören. Zum anderen werden Lymphozyten, zu denen B-, T- und Killerzellen gehören und deren Aufgaben die Erkennung und Vernichtung von körperfremden Stoffen, wie zum Beispiel Bakterien und Viren sind, durch Milchsäurebakterien in ihrer Aktivität angeregt. 
Eine Reihe von Studien zeigen auch in der Praxis eine verbesserte Abwehr von Infektionen nach Einnahme von guten Darmbakterien. Lactobacillus casei beispielsweise konnte die Länge von Winterinfektionen bei älteren Menschen im Vergleich zur Kontrollgruppe reduzieren. 
Produkte mit Darmbakterien haben also eine Reihe von interessanten Einflüssen auf unser Immunsystem. Zusätzlich zu ihren Funktionen bei der Unterstützung unserer normalen Verdauung, leisten sie einen großen Beitrag bei der Aufrechterhaltung unserer Gesundheit und damit unseres Wohlbefindens. Kein Wunder also, dass sie zur Zeit nicht nur in aller Munde, sondern auch Gegenstand aktueller Forschung sind. 
 
Quellen:
  1. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5622781 Effects of Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics on Human Health: Paulina Markowiak and Katarzyna Śliżewska
  2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3424311// A Gastroenterologist’s Guide to Probiotics: Matthew A Ciorba 
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5646295/ Probiotic Bacteria for Healthier Aging: Immunomodulation and Metabolism of Phytoestrogens: José María Landete, Pilar Gaya, Eva Rodríguez, Susana Langa, Ángela Peirotén, Margarita Medina, and Juan L. Arqués